Johannes Herold

Peru, 2017. Nach einem einwöchigen Aufenthalt in einer idyllischen Regenwaldlandschaft geht es am nächsten Morgen zurück in die Hafenstadt Iquitos. Doch zuvor lasse ich den Nebelwald nochmals auf mich wirken. Das Tiefgrün der Blätter, der Geruch nach feuchten Pflanzen, die Regentropfen, die auf meine nackte Haut prasseln. Im nächsten Moment erlebe ich einen traumhaften roten Sonnenuntergang während meine Wegbegleiter und ich im Amazonas schwimmen. Vor dem Schlafen höre ich das Surren der Mosquitos und die Schreie der Affen, all das in der Hängematte während ich die Sterne beobachte.

Nun ist es also soweit: Wir sitzen auf dem kleinen Motorboot und fahren zurück nach Iquitos. Zurück ins Internet- und Plastikzeitalter. WhatsApp – 107 ungelesene Nachrichten. Iquitos – Lärm, Hitze, Hektik. Kurz bevor wir im Hafen einfahren sehen wir es. Hunderte Plastikflaschen schwimmen im Gewässer. Und die Menschen? Sitzen am Steg, unterhalten sich, essen, schweigen, warten auf uns Touristen. „Wie können sie nur!“ – denken wir. „Wie kann man die Natur, unsere Lebensgrundlage, derart zerstören?“ …

Im Nachhinein denke ich mir: „Wie können wir uns moralisch dermaßen erhöhen? Warum leben wir in solch einem Luxus, während die Menschen vor Ort kein trinkbares Leitungswasser haben? Warum gibt es in Lima Penthouses im Wert von mehreren Millionen US-Dollar während andere hungern? Warum schaffen wir es nicht, mehr Gerechtigkeit herzustellen? Warum haben Kinder aus dem peruanischen Regenwald nicht die gleichen Chancen wie ich? Warum spielt Nachhaltigkeit eine untergeordnete Rolle in der Bildungs-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik? Was ist mein Beitrag zu all dem?“